Seit Jahr und Tag erzählen uns Golflehrer, Redakteure, Kommentatoren und selbsternannte Golfsport-Experten, das Geheimnis einer niedrigen Vorgabe läge im Putten bzw. dem kurzen Spiel. Wir sollten bei unserem Golftechnik-Training also hauptsächlich Putten und Annähern üben.
Folgende Milchmädchen-Rechnung liegt diesem Mythos zugrunde: »Beim Tourpro verteilen sich die 70 Golfschläge auf 28 Putts, 11 Annäherungen und 31 volle Golfschläge. Bei einem Spieler, der 110 Golfschläge braucht, sind es 40 Putts, 24 Annäherungen und 46 volle Golfschläge. Die mögliche Ersparnis: 15 Golfschläge beim langen Spiel, 13 beim Annähern und 12 beim Putten.«
Die Bestandteile des Spiels sind jedoch voneinander abhängig: Wenn die langen Golfschläge näher an der Fahne landen, wird auch die Puttzahl sinken. Die tatsächlich mögliche Ersparnis erhält man nur, wenn ein Tourpro gemeinsam mit dem Amateur einen Ball spielt. Macht der Amateur einige Runden lang die langen Golfschläge sowie die Annäherungen und der Pro übernimmt das Putten, weiß man am Ende, wie viele Golfschläge der Amateur beim Putten sparen könnte. Macht der Pro alle langen Golfschläge und der Amateur nähert an und kümmert sich ums Putten, bekommt man die mögliche Ersparnis beim langen Spiel.
(Oliver Heuler)
Das Ergebnis:
Der Amateur verliert gegenüber dem Profi beim langen Spiel 60%, bei der Annäherung 30% und beim putten 10% seiner Schläge.
Drive for show and putt for dough – diese Aussage ist wissenschaftlich nachweisbar Unsinn.
Dr. L.J. Riccio hat bereits in den 90er Jahren eine Studie veröffentlicht über das Spiel von Amateurgolfern (HCP 0-34). Ich hatte in meinem vorigen Beitrag erwähnt das letztlich nur die GIR entscheidend sind, wenn man sein Spiel nachhaltig verbessern will. In der nachfolgenden Tabelle von Dr. Riccio sieht man sehr schön, was man erreichen muss um einen ensprechenden Score zu spielen, oder anders gesagt, warum jeder Einzelne von uns seinen Score spielt:
Im Zuge dieser Studie hat man auch zwei Formeln entwickelt:
Score = 102,6 - 2,7 x Anzahl der gespielten PARS
Beispiel: 102.6 - 2.7 X 7 = 83.7
Bei 7 getroffen PARS wird der Score für die Runde also bei ca. 84 Schlägen liegen.
Kann jeder für sich selbst mal prüfen, bei mir waren es immer max. ein Schlag Abweichung.
Weitere Formel:
Score = 95,1 - 2 x GIR
Beispiel: 95,1 - 2 x 15 = 65,1
Wenn man also 15 Greens in Regulation hat, liegt der Score bei sagenhaften 65,1 Schlägen!
(Übrigens: Kein Tourplayer schafft es im Durchschnitt 15 GIR`s zu spielen, die liegen bei ca. 13,5)
Was ist wichtiger für den Score: langes oder kurzes Spiel?
Eine Studie aus »Golf and Science« beantwortet diese Frage eindeutig.
Statistiken von Durchschnittsgolfern
In dem Artikel »Statistical analysis of the average golfer« aus »Science and Golf« von Alastair Cochran wurde eine umfangreiche Untersuchung der Scores von Amateuren durchgeführt. Dabei wurde der statistische Zusammenhang zwischen verschiedenen Parametern und dem Score ermittelt. Hier das Ergebnis:
Getroffene Grüns: 0.93
Die Fähigkeit, den Ball weit zu schlagen: 0.64
Zahl der schlecht getroffenen Schläge: 0.63
Quote der Grüntreffer mit Eisenschlägen: 0.54
Zahl der Putts auf den getroffenen Grüns: 0.54
(Zahlen über 0.5 deuten auf einen starken Zusammenhang, 1.0 hieße 100%ige Übereinstimmung.)
Alle Parameter sind offensichtlich stark mit dem Score verknüpft, aber die 0.93 im Zusammenhang mit getroffenen Grüns stechen hervor. Wenn man also die Zahl der getroffenen Grüns eines Golfers kennt, kann man fast mit absoluter Präzision auf dessen Durchschnittsscore schließen. Putten ist – im Gegensatz zu der verbreiteten Meinung – nicht der wichtigste Faktor.
Die Fähigkeit, den Ball weit zu schlagen, ist der zweitwichtigste Faktor. Die in der Studie durch Regression ermittelte Formel lautet: Mit jeden 10 Extra-Yards (9,15 Meter) spart man einen Schlag. Jedes zusätzlich getroffene Grün hingegen spart zwei Schläge. Das eine Grün selber spart natürlich nicht zwei Schläge, aber wenn man das lange Spiel so verbessert, dass man im Mittel ein weiteres Grün trifft, werden auch die Entfernungen zur Fahne an den verfehlten Grüns so viel geringer, dass sich ein Vorteil von zwei Schlägen ergibt. Nach dieser Untersuchung kann man daher sagen: Wer 3 Grüns trifft spielt unter 90, wer 8 Grüns trifft spielt unter 80 und wer 13 Grüns trifft spielt unter 70.
Hierzu eine interessante Statistik:
Tiger Woods hat in der Saison 2009 im Mittel 13,2 Grüns getroffen und einen Scoredurchschnitt von 68,5 Schlägen. Vijay Singh (der zweitbeste beim Grünstreffen) traf 12,9 Grüns und Fred Funk (der drittbeste) schon nur noch 12,2 Grüns, also ein ganzes Grün weniger und sein Scoredurchschnitt lag bei 69,9 Schlägen. Tiger Woods, der angeblich auch so gut puttet, wenn man den TV-Kommentatoren glaubt, war auf Platz 136 beim Putten auf den getroffenen Grüns und auf Platz 181 bei den Putts/Runde. Jeweils 200 Spieler werden in diesen Statistiken geführt

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Damit denke ich kann jeder erkennen woher ein guter Score beim Golf kommt.
Nicht vergessen: Letztlich geht es bei diesem Sport/Spiel darum den Ball mit möglichst wenigen Schlägen ins Loch zu befördern!
Muss man "weit" schlagen? JA, man muss! Zumindest wenn man gutes Golf spielen will. Klar versteht jeder unter gutem Golf wieder was anderes.
Mein persönliches Fazit aus dem vorstehenden: Ich werde weiterhin hauptsächlich das lange Spiel trainieren und zwar ohne schlechtes Gewissen, weil nur ein kleiner Teil meines Trainings auf putten entfällt
Ich hätte noch einen Forums-Praxistest zum Vorstehenden im Kopf, den poste ich aber zu einem späteren Zeitpunkt.
Viele Grüße
Michael