Postby TZ » 05.11.2009, 17:32
ARME ANFÄNGER
Ich glaube, der schlimmste Fehler den alle Anfänger machen ist der, einen Ball nach dem anderen zu schlagen und dabei zu versuchen, den Ballflug zu verbessern, indem sie diese oder jene Teilbewegung verändern oder irgend eine neue Teilbewegung ausprobieren.
Dabei gehen sie vollkommen naiv davon aus, dass ihre Bewegung ansonsten immer gleichbleibend dieselbe ist, und schließen von dem aktuell erzeugten Ballflug auf die Wirksamkeit der ins Auge gefassten Teilbewegung. Und derer gibt es ja dutzende, dank der chaotischen Kreativität der Leute vom Fach.
Golfanfänger würden beim Thema Hochsprung die Latte einfach auf Scheitelhöhe oder auf 2m legen und dann versuchen, sie zu überspringen, indem sie alle möglichen Sprungvarianten ausprobieren. Mal mit langem mal mit kurzem Anlauf, mal schnell, mal langsam, mal mit Kurve mal ohne, mal mit dem einen Bein, mal mit dem anderen. Mal mit dem Bauch zur Latte, mal mit dem Rücken, mal mit geschlossenen mal mit gespreizten Beinen. Mal mit Armschwung, mal ohne, mal mit Schwungbeineinsatz, mal ohne, mal mit gestrecktem Schwungbein, mal mit gebeugtem. Und sie kämen trotz ihres konstanten Scheiterns nie darauf, dass die Latte zum Lernen vielleicht zu hoch liegen könnte, und man etwas bescheidener zuwerke gehen müsste.
Ja! Auch der Hochsprung bietet ein Chaos an technischen Möglichkeiten. Aber die Leichtathleten sind in der Technik etwas systematischer als die Golfer. Das kommt wohl daher, dass es um technisch-dynamische Höchstleistung geht. Nicht um ein fast reines Geschicklichkeitsspiel. Es geht um jede Hundertstel Sekunde, um jeden Millimeter. Um höchste Präzision bei voller Leistung. Und da hat man eben bis zu einem gewissen Punkt (der mir persönlich natürlich längst nicht weit genug geht) die Grundtechniken und die Lehrmethodik schon standardisiert.
Man lernt zunächst einmal überhaupt rhythmisch fließend laufen, damit der Anlauf die Basis für einen korrekten Absprung bilden kann. Dann muss man lernen, die Lauftechnik in einen kontrollierten Kurvenlauf mit entsprechender Seitenneigung und Querbelastungen der Füße einzubauen. Dann lernt man Anlauf und Absprung zu kombinieren, ohne sich um die Überquerung zu kümmern. Dann wählt man eine einfache, weniger anspruchsvolle Überquerungstechnik, mit der man Anlauf und Absprung mit anschließender Lattenüberquerung üben kann.
In einem neuen Übungsaufbau (Setting) lernt man als nächstes, wie man eine höchstmöglich liegende Latte mit kleinstmöglicher Flughöhe (ökonomisch) überquert. Das erfordert eine Reihe von mindestens einem dutzend Vor- und Zwischenübungen. Und dann erlernt man, wie man Anlauf und Absprung mit der Überquerungstechnik so verbindet, dass eine Grobform von Hochsprungtechnik zu erkennen ist. Und dann ist der Weg zu einem gelungenen, ansehnlichen Flop oder Straddle über Schulterhöhe immer noch ziemlich lang.
Jeder vernünftige Sportlehrer schlägt folglich angesichts der gängigen Golfdidaktik entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. Und da wird gefaselt, das Golfen sei eine der kompliziertesten Sportarten die es gibt. In meinen Augen macht sich jeder der das sagt nur lächerlich. Zeigt dass er von der Praxis und Didaktik des Sports keine wirkliche Ahnung hat.
Kein Sport der Welt, nicht einmal Billard, lässt dem Aktiven so viel Zeit, seine Aktionen vorzubreiten, Probebewegungen zu veranstalten und minutenlang zu prämeditieren wie das Golfen. Selbst beim Schach herrscht Zeitdruck! Nirgends hat der Sportler Anspruch auf Ruhe im Publikum und bei den Konkurrenten. Jeder gut geschossene Strafstoß im Fußball erfordert mehr Geschick, mehr physische und mentale Kraft mehr sportliche Leistung als der längste Drive. Und mindestens genauso viel Übung. Und dabei hampelt der Torwart auch noch mit schwingenden Armen und Handschuhen auf der Torlinie herum, um den Schützen zu verwirren und die falsche Ecke auswählen zu lassen.
Was also ist dem Anfänger zu empfehlen? Es gibt nur eines: Einen wirklich guten Pro finden, der wirklich Ahnung von Sportdidaktik hat. Sonst steht er vor der Aufgabe, den Golfschlag aus sich selbst heraus neu zu erfinden. Und wer traut sich das zu, am eigenen Leib eine 100jährige Geschichte zu rekapitulieren? Wer bringt das Genie dazu mit, wie Fosbury eine neue Technik zu erfinden und sie auch gleich noch in Vollendung zu beherrschen – Vorbild für Millionen.
Und auch hier: Ohne korrekte Unterweisung erlernt es nur ein Schüler unter hundert. Mit dagegen mindestens 50. Wer beim Golfen nicht einmal das einfache Prinzip des Richtigen Schlagens kennt, der ist ohne besonderes Talent jedenfalls hoffnungslos verloren.