Der Golfschwung ist wie ein Hemd

Handicap verbessern, Spieltaktik, Konzepte
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Der Golfschwung ist wie ein Hemd

Postby Moderator » 11.10.2009, 16:55

von Heinz Schmidbauer , Golfprofessional

Tom Watson wurde vor kurzem, anlässlich seines großen Auftritts bei der British Open 2009 in Turnberry und seinem „Fast-Sieg“ mit knapp 60 Jahren gefragt, was sich an seinem Golfschwung im Laufe seiner 40 jährigen Karriere geändert hat. Tom, u.a. 5facher B.O. Sieger und nach langen Jahren ohne Sieg bei einem Profiturnier, über seine plötzliche im „Fast-Rentner-Alter“ wiedergekommene Stärke:

„ Der Golfschwung ist wie ein Hemd - wenn man es an einer Stelle gebügelt bzw. geglättet hat, dann knittert es an einer anderen Stelle wieder.“

Dieses Zitat von Tom Watson nehme ich gerne her, da viele Golfer/ Golfbeginner mit dem Wunsch an den Pro herantreten, ich möchte ja nur ein wenig „mitspielen„ können und halt mein Handicap immer spielen.

Nun, vielfach wird hier etwas aus anderen Sportarten wie Skilaufen, Radfahren , Schwimmen etc. auf den Golfsport übertragen. Natürlich, wenn man mal Radfahren kann, wird man dies auf einem bestimmten Level immer können, vielleicht im Alter nicht mehr so schnell, aber es geht. Nun, dies ist beim Golfen, schon aufgrund der Aufgabenstellung, nie erzielbar. Diese Erkenntnis muss bei einem Golfer reifen – bei manchen- leider kommt sie nie an.

Bereits winzige Veränderungen im gewohnten Golfschwung, die richtige Einstellung psychischer oder physischer Art am Spieltag, ungewohnte Wetter- Platzverhältnisse usw. schon kommt oft ein anderes Ergebnis - positiver wie negativer Art heraus.

Zudem wird vielfach der Fehler bei den Golfern gemacht, sich an „der ungewöhnlichen oder außergewöhnlichen“ einmaligen Leistung/ Ergebnis, dass man einmal erzielt hat, zu messen.

Unser in Deutschland- Österreich gängiges Handicap-System begünstigt noch, sozusagen „kopflastig“, eine einmalig überdurchschnittliche Leistung, egal wie sie zustande gekommen ist. Versuchen Sie einmal von Handicap 18 zurück auf Handicap 22 zu kommen! Dies würde Jahre dauern und Jahre Frustgolf bedeuten! Egal, warum Sie (Krankheit, Beruf etc.) die notwendige Zeit für ein Ergebnis solcher Art nicht aufbringen.

Warum hier die Verantwortlichen der hiesigen Verbände, weiterhin in komplizierten mathematischen „0,0 sowieso“- Rechnungen und Formeln verharren, die einen Normalgolfer wenig interessieren und international nur Lachkrämpfe bei führenden Golfnationen hervorrufen, bleibt wohl deren Geheimnis.

Angesichts stagnierender Zuwachsraten in Golf (siehe nur Messe Golf Europe München), würde eine Vereinfachung des Handicapsystems allen gut zu Gesichte stehen. Neuen Golfern – genauso wie dem wirklichen Hobbygolfer. Ein beweglicheres HC –System, dass die jährlichen Leistungen besser berücksichtigt ist dringend nötig um nicht weiter Golfer
zu verlieren.

Das finden des eigenen Golfschwungs, die Suche danach , welcher Schwung oder welche Golf-Lehre passt zu mir, ist so alt wie der Golfsport an sich. Meiner Meinung nach kann man Golfschwünge nicht kopieren. Es gibt nur biomechanische (siehe Universität München TU- Dr.F.Tusker& F. Kreuzpointner) Grundgesetze, die besagen, welche Bewegungsabläufe „optimal“ wären! Sicher ist nur, dass man Golfschläge nicht kopieren kann – wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dies.

Nun verweisen viele Golfspieler mit Recht auf Spieler wie Furyk, Palmer,E. Darcy etc, die alles andere als „lehrbuchmässig“ golfen. Zudem kennt jeder Spieler/in im eigenen Club Spieler-innen mit einem Golfschwung, der jedem Golfpro die Haare zu Berge stehen lässt. Dass es viele Spieler gibt, die auch ohne einen „tollen Golfschwung“ hervorragende Ergebnisse erzielen, steht und stand in meine Augen immer außer Frage.

Wie eben in vielen anderen Sportarten auch, hilft eine noch so tolle Technik nichts, wenn diese nicht gepaart wird mit Wettkampfgeist,-stärke, -willen, Intuition, Kondition , vor allem Selbstvertrauen , Glauben an die eigene Stärke und Können usw.

Es ist richtig, dass vielfach der angebotene Golfunterricht eben auf „lehrbuchmässige“ Golfbewegungsabläufe abzielt. Natürlich wird jeder Golfpro versuchen grobe Fehler, wie falsche Griffhaltung, falscher Belastungswechsel usw. zu korrigieren, was ja auch seine Aufgabe ist.

Die Balance hier zwischen „Individualität „ und notwendiger Korrektur zu finden, ist für einen Trainer sehr schwierig. Der Schüler erwartet quasi Wunderdinge, die aber ohne bestimme Eingriffe nicht, wenn überhaupt zu erzielen sind. Dass ein Jim Furyk es auch mit einer nicht „lehrbuchmäßigen „ Technik sogar zur Nr. 3 der Welt geschafft hat, ist ein Zeichen, dass Erfolge im Golf nicht nur mit lehrbuchmässiger Technik, wie eben auch in allen anderen Sportarten erzielt werden können, sondern eben gepaart werden müssen mit Dingen wie Wettkampfstärke, Trainingsfleiß, Willen usw. Nur das ganze „Paket“ macht einen erfolgreichen Sportler aus und so genannte Defizite in dem einen oder anderen Bereich können durchaus kompensiert werden.

Mein Freund Nick Bollettieri, anerkannter Weise, der erfolgreichste Tenniscoach der Welt, sage mir einmal: „Letztendlich ist es mir egal, wie es mein Spieler schafft und sei es mit dem Griff, er muss nur den Ball einmal mehr über das Netz bringen wie sein Gegner“.

Der/die Golfer/in welche nun Rat und Hilfe bei einem Golftrainer suchen, müssen sich aber auch im Klaren sein, dass die eigenen Ziele erreichbar sein sollten, zu hohe Erwarten führen nur zu Frustverhalten. Kommt jemand zu einem Trainer, weil er beim Putten – kurzen Spiel versagt, muss die Ursache nicht unbedingt in der schlechten Technik beim „kurzen Spiel“ sein, wie er /sie selbst es sieht. Es kann z.B. schon mangelndes Spiel bei den Schlägen zum Grün sein, daß soviel „Druck „ auf das kurze Spiel aufbaut um diese Fehler auszugleichen, wodurch dann ein Versagen eben beim kurzen Spiel eintritt.

Hier ist eben der Trainer gefragt, seinem Schützling die richtige Hilfen zu geben und trotzdem die individuelle Freiheit für den eigenen Schwung zu lassen. Als Beispiel die Schwünge von Jim Furyk und Stenson, einem der angeblich technisch besten Spieler, der aber weit hinter Furyk in der Rangliste steht.

Gerade die ausklingende Saison ist die richtige Zeit an Ihrem Spiel zu feilen. In diesem Sinne: Schönes Spiel

Ihr
Heinz Schmidbauer, PGA-Pro
"Der Zweifel ist der Weisheit Anfang."
René Descartes (1596 - 1650),
Philosoph und Mathematiker

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Klasse Beitrag

Postby aPerfectSwing » 22.05.2012, 09:49

Moin, moin,

wollte ein Zitat in die Sammlung einstellen und habe es dann bereits im vorherigen Beitrag entdeckt.

Am Wochenende habe ich die Turnierergebnisse bei uns im Club gesehen. Es gibt immer nur 3-4 Handicap Verbesserungen. Die Masse spielt deutlich unter dem eigenen Handicap.
Das System ist auch aus meiner Sicht sehr beschönigend. Es geht kaum wieder hoch, eine gute Turnierrunde reicht aber, um eine tolle Zahl zu bekommen.

Auch die Aussagen über Schwungtechnik von Heinz kann ich nur begrüßen!

Schöne sonnige Woche

Martin

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Postby Slowhand » 22.05.2012, 10:14

Sehr schöner und lesenswerter Beitrag!

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