... @Hägar: bzgl. Wirkungsgrad und Schlupf habe ich auch schon gesucht, aber nichts brauchbares gefunden. Es wäre schon mal interessant zu berechnen, welchen Backspin ein Ball bei der Landung haben muss, um 5-10 m retour zu kommen. ... viele Unbekannte, aber eine plausible Formel wäre trotzdem interessant.
Deine (Mike) Fragestellung habe ich mal als Aufforderung verstanden, die Mechanik des „Rückläufers“ (wie heißt das Ding eigentlich richtig?) zu analysieren, rechnerisch zu beschreiben und ein paar Schlüsse daraus zu ziehen.
Zunächst habe ich ein paar Videos von Rückläufern angeschaut um zu verstehen, was da eigentlich passiert. Demnach kann man den Ablauf in sechs Zeitpunkte aufteilen:
0. Der Ball trifft zum Zeitpunkt „0“ mit einem bestimmten Backspin und einer bestimmten Vorwärtsgeschwindigkeit (beides Startwerte für die Berechnung) aufs Grün, wo er sich unter Hinterlassung einer Pitchmarke in die Oberfläche einbohrt.
1. Der Ball springt wieder hoch. Dabei hat er an Backspin verloren. Die Reduktion des Backspins setzt sich in eine Abbremsung / Verringerung der Vorwärtsgeschwindigkeit um. Beginn des Hochspringens ist der Zeitpunkt „1“.
2. Nach einem Hüpfer trifft der Ball mit Vorwärtsgeschwindigkeit und gegenläufigen Backspin aufs Grün (Zeitpunkt „2“). Es können noch geringe kleine weitere Hüpfer auftreten. Die nachfolgende rechnerische Simulation zeigt aber, dass sie vernachlässigt werden können.
3. Nach dem genannten Hüpfer bewegt sich der Ball vorwärts, also vom Spieler weg, während er gleichzeitig immer noch einen gegenläufigen, also rückwärtigen Backspin hat. Das bedeutet, dass der Ball übers Grün rutscht und durch den gegenläufigen Backspin abgebremst wird. Auch der Backspin wird abgebremst und wird kleiner. Der Zeitpunkt „3“ ist erreicht, wenn der Ball seinen „Umkehrpunkt“ erreicht hat und anfängt, zurück zum Spieler zu laufen.
4. Nach dem Umkehrpunkt rutscht der Ball weiter. Der Backspin ist immer noch größer als die tatsächliche Rückwärtsbewegung des Balls zum Spieler hin. Hierdurch wird der Ball rückwärts zum Spieler hin beschleunigt, während gleichzeitig der Spin weiter abgebremst/reduziert wird. Der Zeitpunkt „4“ ist erreicht, wenn sich Rückwärtsgeschwindigkeit und Backspin angeglichen haben. Ab hier erfährt der Ball keine Beschleunigung mehr zum Spieler hin, sondern beginnt ganz gewöhnlich zu rollen.
5. Ab dem Zeitpunkt „4“ ist die Situation identisch zum Putt: Eine bestimmte Startgeschwindigkeit setzt sich in eine Rollstrecke um, bis der Ball zum Zeitpunkt „5“ liegen bleibt.
Die Mathematik zur Beschreibung der fünf Phasen zwischen den genannten sechs Zeitpunkten ist nicht allzu kompliziert, aber ziemlich umfänglich. Ich habe deshalb darauf verzichtet, sie hier niederzulegen. Falls dennoch Interesse besteht, bitte Nachricht.
Die relevanten Daten des Balls sind entweder bekannt (Radius, Gewicht) oder herleitbar (Trägheitsmoment um die Rotationsachse). Im übrigen müssen Annahmen getroffen werden:
Zwischen den Zeitpunkten 3 und 5 spielt die Gleitreibung zwischen Balloberfläche und Gras eine Rolle. Den Gleitreibungsfaktor habe ich mal mit 0,2 geschätzt. Man kann auch andere Zahlenwerte einsetzen. Der Einfluss aufs Gesamtergebnis ist aber nicht so riesig groß.
Zwischen den Zeitpunkten 4 und 5 spielt nur die Rollreibung eine Rolle. Die ist sehr abhängig davon, ob das Grün kurz geschoren ist oder nicht. Auch hier kann man mit Zahlenwerten spielen. Klar ist, dass eine geringer Rollreibungswerte große Rolldistanzen nach sich zieht. Ich hab hier mal 0,05 angesetzt.
Am kritischsten sind zwei Schätzwerte, zu denen ich keine Angaben finden kann:
Zeitpunkt 0: Wie groß ist die Vorwärtsgeschwindigkeit des Balls beim Auftreffen? Dazu weiter unten ein paar Zahlenspielereien.
Zeitpunkt 1: Wie viel Spin hat der Ball während des ersten Auftreffens in seiner Pitchmarke verloren? Auch hierzu weiter unten ein paar Zahlenspielereien.
Das ganze habe ich in Excel programmiert, um herauszufinden, was die Haupteinflussfaktoren sind, und wie sie sich auswirken. Ein paar Ergebnisse, um ein Gefühl zu bekommen (negative Strecken bedeuten „hinter dem Aufschlagpunkt“, positive Strecken „vor dem Aufschlagpunkt zum Spieler hin“):
1. Der Ball landet sehr steil mit einer Vorwärtsgeschwindigkeit von nur 7 mph. Sprunghöhe und Spinverlust in der Pitchmarke spielen kaum eine Rolle. Deshalb Annahmen: Sprunghöhe 0,3 m, beim Auftreffen verliert der Ball 1/2 seines Backspins.
a) Backspin 4.000 Upm. Der Ball springt -0,7m weit (Punkt 2), kehrt bei -1,1m um (Punkt 3), fängt bei -1,0m an zu rollen (Punkt 4) und kommt bei -0,9m hinter dem Aufschlagpunkt zu liegen. Der Ball rollt also minimal zurück, schafft es aber nicht zurück zum Aufschlagpunkt.
b) Backspin 5.000 Upm. Der Ball springt -0,4m weit (Punkt 2), kehrt bei -0,6m um (Punkt 3), fängt bei -0,4m an zu rollen (Punkt 4) und kommt bei +1,5m vor dem Aufschlagpunkt zu liegen. Ein passabler Rückläufer.
c) Backspin 6.000 Upm. Der Ball springt -0,2m weit (Punkt 2), kehrt bei -0,3m um (Punkt 3), fängt bei +0,4m an zu rollen (Punkt 4) und kommt bei +5,6m vor dem Aufschlagpunkt zu liegen. Ein beträchtlicher Rückläufer.
2. Schwieriger wird der Fall bei einer nicht so steilen Landung. Hier die Annahme einer Vorwärtsgeschwindigkeit von 10 mph, wobei dann schon stolze 6.500 Upm Backspin bei der Landung vorhanden sein sollten. Anders als im Fall 1. gewinnt hier der Faktor „Spinverlust“ beim Einschlag eine erhebliche Rolle:
a) Hartes Grün, der Ball bohrt sich nur gering ein und verliert dabei nur 1/3 seines Backspins. Bei 30cm Sprunghöhe springt der Ball -1,3m weit (Punkt 2), kehrt bei -2,9m um (Punkt 3), fängt bei -2,7m an zu rollen (Punkt 4) und kommt bei -0,8m jenseits des Aufschlagpunktes zu liegen. Der Ball rollt also ein Stück zurück, schafft es aber nicht ganz bis zum Aufschlagpunkt.
b) Mittleres Grün, der Ball bohrt sich mäßig ein und verliert dabei 1/2 seines Backspins. Bei 30cm Sprunghöhe springt der Ball -0,8m weit (Punkt 2), kehrt bei -1,4m um (Punkt 3), fängt bei -1,2m an zu rollen (Punkt 4) und kommt bei +0,7m vor dem Aufschlagpunkt zu liegen. Der Ball schafft es gerade eben zurück über den Aufschlagpunkt hinaus zum Spieler hin.
c) Weiches Grün, der Ball bohrt sich stark ein und verliert dabei 2/3 seines Backspins. Bei 30cm Sprunghöhe springt der Ball -0,3m weit (Punkt 2), kehrt bei -0,4m um (Punkt 3), fängt bei -0,2m an zu rollen (Punkt 4) und kommt bei +1,7m vor dem Aufschlagpunkt zu liegen. Ein ordentlicher Rückläufer.
Wir sehen also, dass der wichtigste Faktor überhaupt die Vorwärtsgeschwindigkeit des Balles beim Aufschlag ist. Das wichtigste ist, dass der Ball so steil wie möglich landet. Während bei 7 mph Horizontalgeschwindigkeit die Welt noch in Ordnung ist, wird schon bei 10 mph alles schwierig. Ein sehr hoher Backspin ist dann erforderlich, um überhaupt den Ansatz eines Rückläufers zu erzielen.
Wenn eine sehr steile Landung (Fall 1) nicht so ganz gelingen will (Fall 2), hilft zusätzlich zu sehr viel Backspin ein weiches Grün.
LG
Stefan.