Legt mal die theoretischen Betrachtungen zur Seite, besorgt Euch ein paar Dehnungsstreifen und schaut, was tatsächlich im Schwung mit dem Schaft passiert. ...
Ich stelle mir gerade das Szenario vor: DMS kleben, Messverstärker aufbauen, und dann wegen Winter im heimischen Wohnzimmer mit dem vollen Schwung die Lampe von der Decke holen...

Super Maßnahme, um die Familientoleranz für den Sport auszuloten

.
Klar Mike, es gibt immer die theoretische und die praktische Seite. Praxis ist Trumpf und schlägt Theorie. Aber Theorie hilft, die Praxis zu verstehen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Ich versuche mal eine Zusammenfassung. Nachdem ich alle Beiträge und Spuren hier versucht habe nachzuvollziehen, bin ich zu dem wohl provokativ klingen Schluss gekommen, dass es zwei Sorten von Spine gibt, nämlich einen "geometrischen Spine" und einen "elastischen Spine", die es auseinander zu halten gilt.
In der Praxis tauchen verschiedene Effekte meist unrein und gemischt auf. Um sie zu verstehen hat es sich bewährt, die Dinge zu idealisieren, ins Extreme zu treiben und auf diese Weise einen einzelnen Effekt zu isolieren. Ich versuch’s hier mal:
Fall 1:
Henry spricht immer von eindeutiger Nachgiebigkeit, die der Kugellager-Spinefinder zeigt. Tutelman behauptet, dies wäre allenfalls eine „Restbiegung“ im Schaft. Meine Schäfte sind äußerlich gerade, zeigen im Spinefinder aber ganz eindeutig eine Vorzugsrichtung. Wie passt das zusammen?
Henry sagt weiter: Kein Schaft der Welt hat einen exakt regelmäßigen Querschnitt und muss folglich eine Vorzugsrichtung haben. Okay soweit. Jetzt versuche ich diesen Effekt durch Übertreibung zu isolieren: Wir nehmen an, dass unser Testschaft richtig krumm wäre. Im Spinefinder würde sich dieser krumme Schaft mit seiner Verbiegungsrichtung nach unten drehen (siehe Tutelman), und ohne dass die elastische Verformung eine Rolle spielt. Wie eine Windfahne oder Wetterhahn aus Metall auf der Kirchturmspitze, ebenfalls ohne Verformung. Der Wetterhahn hat zwei Gleichgewichtslagen: Schnabel in den Wind und Schwanz in den Wind. Letztere ist labil, bei kleinster Auslenkung flutscht das Ding durch, bis der Schnabel in den Wind zeigt. Genauso bei meinen Schäften im Spinefinder: Zwei Gleichgewichtslagen, eine davon labil. Kleine Auslenkung, und schon macht’s plopp, und eine ganz bestimmte Seite zeigt nach unten. Nennen wir diese Seite „Spine 1“.
Außerdem haben wir uns dank Henrys Einwänden der Erkenntnis genähert, dass wegen dieser Unregelmäßigkeiten des Querschnitts eine wie auch immer geartete Mittellinie außerhalb der geometrischen Mitte verlaufen muss. Diese „außermittige Mittellinie“ ist im Ergebnis nichts anderes als ein krummer Schaft, auch wenn dessen Mantelfläche in technisch relevanter Größenordnung als gerade angesehen werden darf. Ein solcher äußerlich gerader Schaft mit „innerlich krummer Mittellinie“ folgt dem Windfahnen-Prinzip mit genau einer stabilen Auslenkungsrichtung im Spinefinder, während die 180°-Gegenrichtung nur ein labiles Gleichgewicht zeigt.
Ein solcher Schaft kann, muss aber nicht unterschiedliche Steifigkeiten / Elastizitäten in unterschiedlichen Richtungen aufweisen. Wir können im Gedankenexperiment einen Schaftquerschnitt konstruieren, der in sämtlichen räumlichen Richtungen die gleiche Biegesteifigkeit aufweist, und trotzdem eine außermittige neutrale Achse hat. Ein solcher idealisierter Schaft würde genau obige Effekte im Spinefinder zeigen.
Demgegenüber kommt es beim FLO überhaupt nicht auf solche geometrischen Unregelmäßigkeiten an. Der o.g. Schaft würde gleiches Schwingverhalten / gleiche Eigenfrequenzen in allen Richtungen zeigen. Im hier dargestellten Fall 1 würde der FLO-Test überhaupt keine Aussage liefern. Im meinem praktischen Fall tut er es auch tatsächlich nicht.
Im Fall 1 geht es also nur und ausschließlich um geometrische Unregelmäßigkeiten. Man könnte obigen „Spine 1“ also auch als „geometrischen Spine“ bezeichnen.
Fall 2:
Nehmen wir jetzt einen idealisierten zweiten Schaft an, dessen neutrale Achse exakt in der Querschnittsmitte liegt. Beispiel elliptischer Querschnitt. Mittige Achse, aber je eine elastisch weiche und steife Biegerichtung. Der FLO-Test würde hierzu eine elliptische Schwingungsform mit wandernder Ellipsenachse zeigen.
Im Spinefinder gäbe es vier Gleichgewichtslagen: 0°, 90°, 180° und 270° bezogen auf die Hauptachsen des elliptischen Querschnitts. Wenn die kurze Querschnittsachse durch 0°/180° verläuft, ist hierdurch die elastisch weiche Richtung vorgegeben. 0° und 180° stellen im Spinefinder stabile Gleichgewichtslagen dar, während 90° und 270° im Spinefinder labile Gleichgewichtslagen bilden. Dies wäre dann auch die „Spine 2“ Richtung. Sie hat ihren Ursprung ausschließlich im richtungsabhängigen Elastizitätsverhalten. Man könnte diesen „Spine 2“ also auch als „elastischen Spine“ bezeichnen.
Schlussfolgerungen:
- Es gibt zwei verschiedene Spines, nämlich den „elastischen Spine“ und den „geometrischen Spine“.
- Der FLO-Test kann nur den „elastischen Spine“, nicht aber den „geometrischen Spine“ darstellen.
- Der Spinefinder kann beides, nämlich sowohl den „elastischen Spine“ als auch den „geometrischen Spine“ darstellen.
- Beide Spine-Typen können isoliert oder in Kombination auftreten. Bei einer Kombination müssen beide Spine-Achsen nicht in der gleichen Richtung liegen. Der Spine-Finder würde uns eine Art Mittelwert davon zeigen, der FLO-Test nur die Richtung des elastischen Spines.
- Für mich persönlich: FLO liefert kein brauchbares Ergebnis. Der Spinefinder zeigt eine einzige stabile Vorzugsrichtung an. Also habe ich es nur mit einem geometrischen Spine zu tun. Den nehme ich als Referenzrichtung, und werde ihn mangels besserer Information in 3-Uhr-Richtung einbauen, damit ich beim Abschwung den Schlägerkopf sozusagen wie eine Windfahne im stabilen Gleichgewicht hinter mir herziehe.
Offene Fragen:
Henry und Mike sind sich offenbar einig, dass es auf eine exakte Spine-Ausrichtung ankommt. Aber: welcher von beiden Spine-Typen ist dafür relevant? Nur einer davon oder beide?
Henry lässt keinen Zweifel daran, das FLO für die Praxis eher unwichtig ist. Heißt in meine Wortwahl übersetzt, dass der elastische Spine von untergeordneter Bedeutung ist. Entweder, weil er nicht oder kaum vorhanden ist (so meine Tests), oder weil seine Wirkung vernachlässigbar ist. Mike macht nur Andeutungen. Diese lesen sich aber in der gleichen Richtung wie bei Henry. Oder habe ich da was falsch verstanden. Stutzig macht mich nämlich, dass immer wieder (auch von Mikes Seite) auf die Wichtigkeit eines bestimmten Schaft-Biegeverhaltens hingewiesen wird. Henry wendet zwar ein, dass der Schaft gar keine Zeit hätte zu schwingen. Aber immerhin macht er doch von der Beschleunigung bis zur Verzögerung so etwas wie eine freie Halbschwingung durch. Und das ist im Grunde das Gleiche, wie wir es bei FLO sehen. Wie sonst wäre es zu erklären, dass ein flex tip einen eher hohen und ein stiff tip einen eher niedrigen Ballflug generiert?
Grüße,
Stefan