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„Warum haben wir Golfer - im Allgemeinen - so wenig Mut…“?

Posted: 19.07.2010, 11:38
by Frau Oelmann
„Warum haben wir Golfer - im Allgemeinen - so wenig Mut uns den Meinungen von Pros zu widersetzen bzw. diese wenigstens zu hinterfragen und auf unsere eigenen Erfahrungen zu hören?“
Liebe Claudia,
diese Frage ist grundsätzlich sehr interessant, weshalb sie ein eigenes Diskussionsforum verdient hat.

Diese Frage konkret zu beantworten, scheint kaum möglich, jedoch bietet sie unendlich viel Raum für Diskussionen. Heerscharen von Verhaltensforschern beschäftigen sich weltweit mit der Frage: Warum verhält sich ein einzelner Mensch so und nicht anders, je nach Situation?

Ich denke, es ist zunächst einmal eine evolutionäre Entwicklung und grob formuliert führt diese Frage früher oder später zu der Erkenntnis, dass auch der Mensch nur ein Tier ist, ein Herdentier. Ein Herdentier, welches gerne von einem Leithammel geführt werden will. Auch dann, wenn eines Tages die Erkenntnis reift, dass dieser Leithammel die Herde zuweilen auf Irrwege führt. Das ein oder andere Herdentier beginnt nach und nach, die richtigen Fragen zu stellen, diskutiert diese jedoch lieber leise tuschelnd im kleinen Kreis, der Leithammel darf das ja nicht mitkriegen, was dann wiederum im allgemeinen Getöse der großen Herde untergeht. Jedoch fügt er sich schließlich dem Herdentrieb, weil er sich vermeintlich wohl und sicher fühlt unter Gleichgesinnten…

Ergebnisse der Verhaltensforschung werden schließlich nicht nur von der Politik, sondern auch von (Golf)Industrien genutzt. Diese Vorgehensweise erscheint heutzutage nicht mehr vollumfänglich verwerflich, denn Herdentiere hierzulande haben im existierenden Informations- Zeitalter die Möglichkeit, sich ebenfalls zu informieren und entsprechende Fragen zu stellen. Was uns wieder zu eben jener Frage führt, warum so wenig Fragen gestellt werden, wenn sie dann überhaupt gestellt werden, warum ihnen der Mut dazu fehlt.

Fragwürdige Grüße
Frau Oelmann

Fehlender Mut oder Konditionierung

Posted: 19.07.2010, 14:58
by Easygolf
Der fehlende Mut ist das eine, Konditionierung das andere.

Golf wurde und wird von einer Vielzahl von Menschen in erster Linie (immer noch) aus Imagegründen gespielt. Grob verkürzt könnte man auch sagen von Personen aus gut situierten Verhältnissen, die sich gerne profilieren woll(t)en.

Da war zuerst einmal wichtig, dass man unter sich blieb und, dass nicht jeder x-beliebige Normalbürger dieses Spiel verstehen konnte. Man lebte in einer eigenen Welt, sprach seine eigene Geheimsprache und der Golfschwung wurde als ein mysteriöses Geheimnis gehandelt, das nur von wenigen verstanden werden sollte.

Erst in den letzten Jahren, begannen immer mehr aufgeklärte und eher sportlich motivierte Menschen diese Art der Freizeitbeschäftigung für sich zu entdecken und brachten unter anderem auch Vorkenntnisse und Erfahrungen aus anderen Sportarten mit.

Erst seit relativ kurzer Zeit von vielleicht 10 Jahren, begann sich Golf mit Hilfe von garantierten Platzreifekursen, Pauschalangeboten, usw. der Allgemeinheit zu öffnen. Erst seit dieser Zeit interessierte sich die Golf spielende Bevölkerung erst einmal dafür, ob man einen Golfplatz nicht auch komfortabler und einfach „nur zum Spaß“ begehen könnte.

Da die Etablierten aber immer erst einmal alles tun, um ihr „Geheimwissen“ und den Status Quo zu schützen, wurden und werden alle Fragenden und Suchenden zuerst einmal als „verirrte und zu bekehrende Wesen“ eingestuft – fast so wie in den meisten Schulsystemen und Religionsgemeinschaften auch. Um so ein System zu hinterfragen, oder sich gar dagegen durchsetzen zu wollen, muss man schon überdurchschnittlich viel Mut und Willensstärke aufbringen.

Wenn man beispielsweise vor ca. 30 Jahren öffentlich die Meinung vertreten hat, dass man beim Tennis die Rückhand Topspin auch oder sogar besser vom hinteren Bein aus schlagen könnte, wurde man von den konservativen Kräften zuerst auch einmal für einen Spinner gehalten. Von dem Dogma der Welt als Scheibe oder der derzeitigen unvermeidlichen Erdzerstörung wollen wir erst gar nicht reden.

Deshalb kann ich allen kritischen Menschen nur raten, immer auf der Hut zu sein und immer sich selbst zu hinterfrage, ob mir Lehranweisungen eher nützen als schaden. Bewegungsanweisungen sollten gänzlich verstanden werden und komplett nachvollziehbar sein. Das heißt nicht, dass man immer alles gleich vollständig umsetzen kann. Aber man sollte zumindest geistig und körperlich kapiert haben, wie es funktioniert. Nicht mehr aber auch nicht weniger.

Posted: 22.07.2010, 09:16
by Moderator
"Mut" erfordert Selbstbewußsein und selbstbewußt kann man nur sein, wenn man Hintergrundwissen hat (zumindest sollte es so sein, sonst ist man nur forsch, frech oder mit niedriger Hemmschwelle ausgestattet).

Golf ist keine traditionelle Sportart in Deutschland. Das heißt, das Wissen dazu wird uns nicht lebensbegleitend vermittelt. Zudem hat der Golfsport die Bürde des elitären Images, die Last hoher Einstiegskosten und den erschwerten Zugang über Mitgliedschaften zu tragen. Die Zielgruppe ist also recht ausgesiebt, was sich aber zumehmend ändert.

Wenig Hintergrundwissen, viel Etikette und eine gute Selbstdarstellung der anderen Seite (Club, Pro, PGA, DGV, Markenhersteller) sind keine gute Basis für kritische Fragen. Sprich: es fehlt nicht an Mut, sondern an Wissen.

Mike

Posted: 22.07.2010, 16:26
by goyenecheroberto
Das stimmt: „Wenig Hintergrundwissen, viel Etikette und eine gute Selbstdarstellung der anderen Seite (Club, Pro, PGA, DGV, Markenhersteller) sind keine gute Basis für kritische Fragen. Sprich: es fehlt nicht an Mut, sondern an Wissen“. Eher doch Ignoranz!, wie ich meine.
Man will ja unter sich -wer immer das auch ist- bleiben: „ich will so bleiben wie ich bin“, "was Fortschritt ist bestimmen wir gleich mit" (auch wenn es sich nur im Design niederschlägt).
Ein gutes Beispiel hierfür der Betreiber der Seite : „golf for bus…“, die Bäckerblume oder Apothekenrundschau unter den Golfpublikationen. Viel Gedöns um Wenig. Einziger Vorteil: die Publikation kostet den Leser nichts, außer unnütz aufzubringender Zeitverschwendung beim Lesen. Die hierzulande gedruckten und käuflichen Golfpublikationen sind kaum besser, unverkäufliche Überstücke werden in unserem Club im Vorraum der Toilette angeboten! Das sagt schon einiges. Wie easygolf zutreffend bemerkt: „die Etablierten oder die sich dafür halten werden immer erst einmal alles tun, um ihr „Geheimwissen und den Status Quo zu schützen“.

Posted: 22.07.2010, 19:33
by Lob 64
Ist mir zu pauschal , muß auch am Desintresse der Spieler liegen, wenn
ich manche auf dem Acker sehe die schon 10 Jahre spielen aber offenbar
noch nie einen richtigen Golfer auch nur gesehen haben , denn sonst könnte man solche Bewegungen nicht machen!
Gruß Helmut

Posted: 22.07.2010, 20:04
by Moderator
Ich hatte erst vorgestern das Vergnügen, mit einer Mannschaftsspieleren 9 Loch zu gehen. Hat mich beim Drive echt unter Druck gesetzt und spielte traumhafte Annäherungen. Single-Handicap. Recht klein und kompakt, nahm Ihre Schläger immer 5-8 cm kürzer: Driver, Eisen, Putter, alles. Sie ist eine erfolgreiche Sportlerin mit technischem Verständnis, sehr analytisch und spielt seit 30 Jahren Golf. Training nur bei den besten, fährt dafür 350 km.

Meine Frage, ob Ihre Schäfte nicht zu lang seien (wegen der min. 5 cm kürzer), hat sie richtig verwundert. "Warum? Mein Pro sagt, das seien Damenschläger. Gibt es da noch was anderes?"

"Ja, gibt es."

Mike

Posted: 22.07.2010, 20:22
by Lob 64
Schau Dir Kim auf der Tour an , genau das selbe !
Gruß Helmut

Posted: 22.07.2010, 21:17
by Golftrolley
ich vermute, dass dies daran liegt, dass heute von den Pros und der Industrie noch immer behauptet wird, dass kürzere Schaftlängen gleich bedeutend sind mit weniger Schlagweite .. . und wer will das schon.
Dass Schlagweiten mit SKG zu tun hat und es besser ist, den Schläger ohne Ausgleichbewegung des Körpers schwingen zu können, um so "Dampf" auf den Ball zu bekommen, setzt sich anscheinend auch bei den guten Golfern nur sehr langsam durch.
Ich selbst bin da das beste Beispiel:
Habe mit kürzeren Schlägern das Golfspielen gelernt (abgelegtes Golfset meiner Frau - :wink: ) und nach den ersten Erfolgen, mußte es ein neuer Satz sein. Empfohlen wurde Standard-Herrenlänge und ein wenig mehr ...
- in den Folgejahren wurden die Schäfte meiner Schläger immer länger - allerdings nicht mit dem gewünschten Erfolg beim Golfspiel.
Erst seit dem ich Mike kennen und sein Biometrisches Fitting kennenlernte und micht dann selbst sehr intensiv mit der Materie befaßte, kam ich zu den kürzeren Schlägern zurück, was meinem Golfspiel enorm gut getan hat.

Gruss Hannes

Posted: 23.07.2010, 11:50
by MW
Hallo Helmut,

AK weiß ganz genau, was der da macht. Nike hat ihm Schläger mit der "korrekten" Länge gebaut, die für ihn aber nicht funktioniert haben, weil er es anders gewohnt ist (Optik, Haptik, Wahrnehmung). Nicht alles, was aus der vermeintlichen Norm fällt, ist auch falsch.

Gruß aus dem Hessenland,
MW

Posted: 23.07.2010, 21:07
by Frau Oelmann
Sprich: es fehlt nicht an Mut, sondern an Wissen.
Vermutlich hast Du Recht, Mike. Es ist ein vielfach zu beobachtendes Phänomen: Was man nicht weiß, bezahlt man (ich nehme mich da nicht aus), weshalb die Golfindustrie – und nicht nur die – ihre Hebel hier ansetzt.
Aber für uns Verbraucher bleibt es doch irgendwie immer schwierig. Einerseits können wir uns umfangreich informieren, andererseits können wir nur schwer einschätzen, welchen Informations- Quellen wir vertrauen können und ob das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt. Vertrauen spielt eine große Rolle, da wir nur selten oder eher gar nicht Einblicke dessen bekommen, was sich hinter den Kulissen abspielt. Welcher Koch verrät schon gerne sein Rezept?
Meine Frage, ob Ihre Schäfte nicht zu lang seien (wegen der min. 5 cm kürzer), hat sie richtig verwundert. "Warum? Mein Pro sagt, das seien Damenschläger. Gibt es da noch was anderes?"
Interessant, dass selbst eine gute Golferin erstmals nach nunmehr 30 Jahren eine derartige Frage stellt. Da warst Du wohl der erste Experte nach all’ diesen Jahren, der sie mit einer simplen Frage ins Grübeln gebracht hat. Wie es ausschaut, ist sie bisher lediglich mit vielen, intelligenten, vornehmlich Verkaufsfördernden Antworten überschüttet worden. Antworten, die bisher keinen Raum für eine Frage zugelassen haben. Interessant…
Training nur bei den besten, fährt dafür 350 km.
Bei den besten was? Vermutlich Playing-/Teaching-Pros? Da möchte ich sie am liebsten einmal fragen, wie sie diejenigen ausfindig gemacht hat. Etwa durch Fragen stellen und sich Wissen aneignen? Wie es aussieht, verfolgt sie u. a. sehr aufmerksam Dein Forum… ;-)

...so wenig Mut?

Posted: 01.08.2010, 11:48
by aPerfectSwing
Ich denke, daß sich im Laufe der Zeit natürlich die Fakten durchsetzen. Aber viele Interessen arbeiten natürlich dagegen.
Ein Faktor ist sicher das Beharrungsvermögen auf vermeintlichen Wahrheiten.

Lange Schläger -> viel Weite
teure Markenware -> hohe Qualität und hohes Ansehen

Dabei unterscheidet am Ende der Runde ja doch nur der Score:-) Und es macht doch wirklich Freude, mit einem Holz 5 weiter zu schlagen als die Flightpartner mit dem Driver. Den braucht ja wirklich jeder im Bag, auch wenn ein Holz 7 auch gemessen mehr Weite und Konstanz hat. Natürlich macht ein Driver auch einfach Spaß, aber im Turnier lasse ich den Driver im Kofferraum.
Da macht sich dann der Gruppendruck bemerkbar und nur selbstbewusste Golfer sind damit zufrieden. Der Driver steht ja auch dafür, daß man mit seinem Schwung jetzt soweit ist und nicht mehr Anfänger ist.

Einen weiteren Aspekt sehe ich auch darin, daß mit entsprechendem Material dann nur noch das eigene Können die Ursache für gutes oder schlechtes Spiel ist. Wie frustrierend, wenn es nicht der Schläger sein kann, der heute irgendwie "kaputt" ist. Der neue Putter mit magischen Supergrooves in freundlichem Hellgrün, das in Kombination mit dem exakt laufendem magnetischem Ball Y um x% bessere Ergebnisse bringt.

Dabei wird dann noch der normale Verstand abgeschaltet. Oder wie ist zu erklären, daß nur durch Messend es Handgelenk-Boden Abstands die richtige Schlägerlänge zu ermitteln ist?

Mir macht das Fitting so richtig Freude, da in jeder Session ja auch immer die Grundlagen für die jeweiligen Entscheidungen gemeinsam erarbeitet und besprochen werden. Zurück im heimischen Club kann man dann mit einem inneren Lächeln auf die Kommentare reagieren. Und dann kommt der schöne Schlag mit einem Holz 9 aus dem Fairwaybunker, der 140m weiter auf dem Grün landet :D

So, genug geschrieben, ich geh jetzt Putten.

Gruß

Martin

Posted: 01.08.2010, 12:20
by Lob 64
AK weiß ganz genau, was der da macht. Nike hat ihm Schläger mit der "korrekten" Länge gebaut, die für ihn aber nicht funktioniert
Ist mir schon klar MW . aber er hat ja mit zu langen Schlägern auch
begonnen und wie man sieht mit guten Ergebnissen .

Wenn man zu lange Schläger kürzer fast kommt man ja auch gut durch den Ball durch ! ABER WIE ist das mit dem Abgestimmten Schwunggewicht ?
Wenn ich einen zu langen Satz von Mike spiele und den entsprechent
kürzer fasse , stimmt dann die Relation noch ??
Gruß Helmut

Posted: 01.08.2010, 13:26
by handicap
Sprich: es fehlt nicht an Mut, sondern an Wissen
Im kung fu gibt es den schönen Satz "Wissen, nicht fühlen". Wurde in verschiedenen Filmen aufgegriffen.

Ich sehe es im Golf ähnlich. Je mehr Wissen ich habe, umso mutiger werden meine Schläge und auch mein Nachsinnen über das Spiel.

Es sind ja nicht nur die Pros die einen dauernd beschwätzen. Mitspieler empfinde ich als noch viel nerviger als die Pros. Das dauernde "du musst den Kopf unten halten" hält sich hartnäckig wenn man mal einen Hacker gemacht hat. Der Mut kommt jedoch erst im Lauf der Zeit zu sagen "ja danke für den tipp" innerlich den Kopf zu schütteln und sein "Wissen" abzurufen das man es ja eigentlich kann.

Ich weiß irgendwann schon sehr genau was ich wann machen kann. Der Weg dahin wird dann wie bei jedem zum Automatismus.

Bedauerlicherweise ist es verdammt schwer mit den derzeitigen Golflehrern (und leider auch oft Mitspielern) dahin zu kommen.

Posted: 04.08.2010, 12:37
by Greenjudge
Zur mentalen Verfassung des Golfers ein Beispiel:
Trainer stellt die Aufgabe: Die Spieler sollen aus einem Bunker das Grün anspielen und dort nur eine aufgestellte Ballsammelröhre treffen. Es sind fast ausnahmslos gute Schläge zu beobachten, die Röhre wird auch von manchen getroffen.
Die nächste Aufgabe: jetzt liegt der Flaggenstock auf dem Grün und der Trainer verlangt daß die Spieler die Bälle über den Flaggenstock spielen sollen, berühren des Flaggenstocks ist nicht gestattet: wer den Flaggenstock trifft, wird bei der nächsten Mannschaftsaufstellung nicht berücksichtigt.
Ergebnis: keine souveränen Schläge mehr, statt dessen Fehlschläge aller Art!
Dabei wird klar: im ersten Fall gilt es etwas zu erreichen, also einen Erfolg unmittelbar herbeizuführen, im zweiten Fall soll ein Fehler vermieden werden. Das Gehirn kann dieses negative Vorzeichen offenbar nicht umsetzen. Der Spieler ist irgendwie blockiert.
Bliebe noch als Aufgabenstellung die Variante: die Röhre nach Überspielen des Flaggenstockes zu treffen, wer das fehlerfrei schafft bekommt den neuen Monoceros Putter für eine Woche zum ausprobieren. Leider liegen hier ( noch) keine Ergebnisse vor.

Posted: 07.08.2010, 18:29
by Moderator
Hallo Mick,

da liegst Du genau richtig. Wünsche ans Universum muss man immer ohne "nicht", "nein", "kein" etc. richten, sonst klappt es nicht.

Ausserdem sehe ich in Deinem Beispiel eine Teilung der Energie. Die Ballröhre ist das Ziel und der Fokus, alles bündelt sich darauf. Bei der Fahnenstange muss die Energie schon aufgeteilt werden: sie nicht zu berühren, darüber zu kommen und in der Mannschaft zu bleiben.

Mike