Fehl-Funktion

Mike Austin, Moe Norman, PGA oder ... ?
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Fehl-Funktion

Postby Moderator » 16.01.2010, 13:45

Nach den Weltkriegen hat es eine von vielen unbemerkte Zäsur gegeben: die Trennung von Kunst und Können, sprich Kreativität und Handwerk. Alles musste schneller und einfacher gehen, auch fehlten wertvolle Jahrgänge an den Universitäten. Damit ging viel Wissen verloren, was sich nach meiner Meinung bis heute gerächt hat. Die Architektur wurde emotionslos und das gleiche Schicksal ereilte alle anderen Bereiche. Alles muss rationell herstellbar sein und ausschliesslich eine vordergründige Funktion erfüllen.

Man vergleiche einfach mal ein Haus aus der Jahrhundertwende mit der Architektur der 60/70er Jahre oder ein Tintenfass von 1900 und mit der Tintenkartusche vom Discounter.

Am Ende dieser Kastration haben die Produkte keine Seele mehr, kein Charisma. Auch möchte ich in Frage stellen, ob die künstlerische Ausgestaltung der Produkte, Waren und Gegenstände nur optisch apart ist oder ob hier nicht eine Symbolkraft die Funktion forciert. Ohne ins esoterische abrutschen zu wollen, sollte man sich doch mal mit der Blume des Lebens beschäftigen oder mit den Erkenntnissen Masuru Emotos. Es gibt jedenfalls mehr, als mancher glaubt oder manche glauben möchten oder manche glaubend machen wollen.

Diese für mich unangenehme Reduktion der Vielfalt hat auch eine reflektorische Wirkung auf die Maxime der Entwickler. Statt "besser" oder "einzigartiger" ist es in den Entwicklungsabteilung einer weltweiten Automarke heute wichtiger, die Lebensdauer technischer Bauteile bewusst zu begrenzen. Ausserhalb der Garantiezeit und ohne Imageverlust sollen Funktionen eines natürlichen Todes konsumankurbelnd sterben. Keine Vision, sondern Realität.

Flankiert wird das ganze durch die Massenverblödung, deren Ursprung ich noch nicht entdeckt habe und deren Koordination mir ein Rätsel ist. Hier sei das Buch "Die verblödete Republik" empfohlen. Ziellos und ohne Wertevorstellung soll konsumiert werden, was der Überziehungskredit hergibt. "Einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen, ein Haus bauen" wurde ersetzt, durch "eine Flatrat abschliessen, einen Klingelton abonnieren und Fun haben". Die Taschengelddiebe der Telekommunikationsbranche freuen sich.

Aber wie werthaltig sind diese Errungenschaften? Wer möchte die heutigen Konsumgüter irgendwann mal vererbt bekommen? Egal ob schwedisches Wandregal oder neuerster DVD-Player, für den es in 48 Monaten schon keine Medien mehr gibt. Nichts als Sondermüll für einen Planeten, der vor lauter Abfall schon seine Gletscher schmelzen lässt.

Um nicht falsch verstanden zu werden: es soll hier nicht die Tradition ans Licht gezerrt werden, also nicht das schwere Design der Jahrhundertwende. Ich möchte, dass die Entwicklung nachgeholt wird. Dass Kunst und Handwerk wieder eine Symbiose bilden. Wie dann ein Handy, ein Fernseher oder auch eine Heizungsanlage aussehen, weiss ich nicht, aber es kann nur besser werden. In Sachen Heizung hatte ich mir mal Gedanken gemacht. "Eigener Herd ist goldes Wert" ... heutzutage wird dieser Herd im Keller versteckt, industriegrau lackiert und gegen Aufpreis in Bübchenblau oder Bhagwanorange.

Warum nicht die Flamme des Ölbrenners (sehr imposante Flamme, voller Kraft) aus dem Boden der Essküche kommen lassen, mit Sichtfenster und glühender Schamotterückwand. Die Verrohrung, unisoliert in blankem Eisen oder poliertem Edelstahl (je nach Geschmack) kunstvoll mäandernd verlegt, übernimmt die Aufgabe eines wärmestrahlenden Heizkörpers, ergänzt durch die Umwälzpumpen; statt mit Plastikdeckel aus polierter Bronze. Ein Tempel für die Sinne. Wärme an frostigen Tagen wird nicht anonym, sondern live und voller Leben erzeugt. Wobei es nicht Öl sein muss, das verbrannt wird. Die Technik ist hier schon viel weiter, als es der Industrie recht ist. Statt aber mit Hirn und Ehrfurcht unsere einzige Welt zu schonen, stehen immer noch globale Vetternwirtschaft und Aktienkurse als einzige Vorgaben im Raum.

Vor zwei Jahrzehnten hatte ich mich viel mit Elektronik beschäftigt. Jeder kennt die Leiterplatten, auf denen computerdesignte Zinnbahnen Chips und Dioden verbinden. Kalt und labormässig sehen sie auch aus. Ich hatte damals meine Elektroniken mit den Ornamenten des Jugendstils bzw. der indischen Mythologie vereint. Dem Strom ist es egal, ob er grandlinig steril oder in floralen Kurven seinen Impuls sendet. So eine Leiterplatte muss man nicht verstecken, sondern kann sie als gestalterisches Element z.B. dem Gehäuse eines Fernsehers zuführen (mit klarer Abdeckung). Damit könnte man endlich einen Fernseher bauen, der rückseitig nicht nach Vergebung für den oberflächlichen Designer fleht.


Meine Bemühungen in Sachen Golf sind die Konsequenz daraus. Rein funktionell sind alle Resourcen aufgebraucht. Man kann nur noch Farbe und Preis ändern, so der Istzustand der Branche. Ich will jedoch wieder den Dingen Leben einhauchen, deshalb meine Versuche mit Hickory, Büffelhorn und Leder. Deshalb auch die Vorgabe, möglichst auf alten Maschinen und nicht industriell geleckt zu fertigen. Die Ästhetik spielt mit ... auch beim Golf. Jeder Schläger soll einzigartig sein und jeder Schläger soll seinen individuellen Charakter erhalten. Ich bin aber noch meilenweit von der Perfektion entfernt, denn je tiefer man sich in diese Philosopie begibt, desto überraschender werden die bis dato verschenkten Möglichkeiten. Mitstreiter willkommen, egal, für welchen Bereich.

Image

Ich möchte mich hier nicht als Geschmacksverbesserer der Nation aufspielen, mich aber gegen die "deutsche Eiche aus Plastik" in Möbelhäusern wehren, den schwedischen Dünnblechbollerofen mit elektrischen Fakeflamme gar nicht erst herstellen lassen und vielmehr wieder das Bewußtsein zwischen Sinn und Unsinn schärfen. Denn sonst muss alles nur funktionieren, wie mittlerweile der Mensch selbst auch. Kranke, Behinderte und Alte passen nicht ins Szenario der kreditfinanzierten Verbrauchs- und Spaßgesellschaft ... und das ist mehr wie bitter: "Abgezockt und totgepflegt"

EDIT
... sonst ist irgendwann Soylent Green die beste Lösung.
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Frau Oelmann
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Postby Frau Oelmann » 17.01.2010, 17:45

oder neuerster DVD-Player, für den es in 48 Monaten schon keine Medien mehr gibt.
Diese Schnelllebigkeit beschäftigt mich schon lange. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit stoße ich dieses Thema an und frage dann immer als erstes: Betrachten wir nur die vergangenen 2000 Jahre Menschheitsentwicklung. Was ist geschehen, dass allein in den letzten 100 Jahren eine derart rasante Entwicklung in Forschung und Technik stattgefunden hat, die sich nunmehr bald stündlich überholt? Was für ein Damm ist da plötzlich gebrochen, wohin werden wir machtlos auf den Stromschnellen hinfort gespült und wie lange werden wir uns noch über Wasser halten können? Denn m. E. spielt gerade auch diese Geiz-ist-geil-Mentalität dabei eine Hauptrolle. Sie forciert täglich die Schnelllebigkeit, die keinen Raum, keine Zeit mehr lässt, Geist und Seele hecheln chancenlos hinterher…
Ziellos und ohne Wertevorstellung soll konsumiert werden
Ja, das Buch von Thomas Wieczorek habe ich auch gelesen. Es wirft unendlich viele Fragen auf, es regt zum Nachdenken an. Aber wer hat dazu heute schon noch Zeit? Oder sollte ich fragen, wer nimmt sich dazu heute noch die Zeit? Und die wenigen, die es tun - sich die Zeit nehmen - was können diese wenigen noch bewirken? Es ist sehr, sehr schwierig.
Ich will jedoch wieder den Dingen Leben einhauchen
Ich finde Deine (Firmen)Philosophie großartig, ganz nach meinem Goût: Leben einhauchen. Die Prototypen der Golfschläger, die Du seit Wochen in Deinem Forum präsentierst, lassen jemanden wie mich äußerst warm werden ums Herz, so schön, so außergewöhnlich, so lebendig wirken sie auf mich. Ein jeder von ihnen wird ganz bestimmt zu genussvolleren Runden beitragen.

Vielen Dank für diesen anregenden Beitrag.

Liebe Grüße,
Sabine
„Die Kraft der Muskeln ist begrenzt, die Kraft des Geistes ist unendlich“ (Koichi Tohei)

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Bunkerdude
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Postby Bunkerdude » 17.01.2010, 20:28

Warum fällt mir beim Anblick der Klais'schen Neudesigns immer die Firma Manufactum (DieZeit Artikel) und der Begriff "Neue (Golf) Bürgerlichkeit" ein. :wink:

Bunkerdude Nick

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Ulf
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Coffee to go - ein Paradoxon

Postby Ulf » 18.01.2010, 09:05

Hallo zusammen,
Warum fällt mir beim Anblick der Klais'schen Neudesigns immer die Firma Manufactum (DieZeit Artikel) und der Begriff "Neue (Golf) Bürgerlichkeit" ein. :wink: Bunkerdude Nick
Der Artikel "Die Requisiten des Jahrzehnts" bei der Zeit war wirklich Super. Als ich den gelesen habe, musste ich auch an Mikes Handyverweigerung denken. Leider ist im Internet nicht der ganze Artikel zu sehen, aber er war wirklich sehr lesenswert. Wer also die Zeit vom Anfang des Jahres noch hat und bisher keine Zeit hatte sie zu lesen ... unbedingt nachholen. Auf den folgenden Seiten ist ein Artikel über Müßiggang, den ich auch allen ans Herz legen möchte. Im letzten Jahr bin ich auf einer Burn-Out-Veranstaltung gewesen, in der darauf hingewiesen wird, dass solche Aspiranten, sich nie entspannen, da sie nur arbeiten und damit Ihren Organismus gegen die Wand fahren. Was hilft zum entspannen? Richtig z.B. Müßiggang. Das kann aber kaum jmd..

Ich habe die Artikel meiner Frau vorgelesen und insbesondere bei den SUVs haben wir uns köstlich amüsiert.

Ein Kaffee ist ja eigentlich ein Raum zum Entspannen. Ein Coffee to go ist damit ein Paradoxon, weil man sich den Genuss quasi zwischen Tür und Angel "reinpfeifft". (aus derm Artikel und meinem Gedächtnis)

Lieben Gruß
Euer Ulf

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es kommt immer dicker

Postby Ulf » 20.02.2010, 11:41

Hallo zusammen,

immer wenn man denkt, dass es nicht mehr schlimmer werden kann, kommt es doch noch dicker.

Gerade lese ich in der Zeitung, dass findige Produktentwickler einen "Wein to go" ersonnen haben. Der Wein kommt immerhin in einem Glas daher, das warscheinlich wie ein Jogurt-Becher verschlossen ist.

Herrlich.

@Mike: Du ersinnst dann bitte eine Spezial-Halterung für Troley und Carry-Bags, gell?

Lieben Gruß
Euer Ulf

P.S.
Es taut!!!

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Lasar
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Re: es kommt immer dicker

Postby Lasar » 20.02.2010, 13:27

......
Es taut!!!
Dann schnür schon mal die Gummistiefel!

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Postby Moderator » 21.02.2010, 18:17

"Wein to go"
Ja, die Oberflächlichkeit verbreitet sich galoppierend. Ich habe jetzt den positiven Rückschritt eingeleitet (für mich). High-Tech gibt es genug, Low-Tech gilt es wieder neu zu entdecken. In der Produktion geht sowas auch und wird Schritt für Schritt etabliert, einschliesslich energiesparende Fertigung und wenn es sein muss, dann wenigstens grüner Strom.

Den Golfschlägern wird es zu gute kommen, da man auf dieser Ebene ein ganz anderes Verhältnis zum Werkstück hat. Man erkennt seine eigene Zeit (wieder) als wertvoll und will diese deshalb nicht mit Ex-und-Hopp-Produkten vergeuden. Abends stolz sein, was man tagsüber gemacht hat. Ist das nicht schön?

Zu diesem Zweck habe ich auch vor ein paar Tagen eine Tafelrunde besucht: Unternehmer und Unternehmende treffen sich hier zur Vorstellung interessanter, sozialer und/oder zukunftsgerichteter Projekte und Ideen.

Ich habe mich auf einen Abend voller Spinner in Norweger-Pulli eingestellt und war baff, wie weit und vor allem professionell sich bereits eine Szene entwickelt hat, die den aktuell politischen Entscheidern bereits meilenweit, wenn nicht Lichtjahre überlegen ist.

Durchdachte, langfristig angelegte Projekte fernab von Erdöl, Atomstrom und Ressourcen verschlingender Multis, die ihre Mitarbeiter ausspionieren und mit sittenwidrigen Löhnen abspeisen. Abgenabelt von einer Volkswirtschaft, die David Suzuki als "Hirnschaden" bezeichnet.

Vom autarken Ökodorf bis zu Menschen, die wieder mit Ehrfurcht unseren Planeten behandeln ... es ist alles in Bewegung.

Zusammenfassung (Filmprojekt) bemerkenswerter Unternhemen, Gemeinden und Einzelpersonen

Ökodorf und Respekt vor dem Menschen

Weg von unsinnigem, da zerstörerischen Wachstum muss nicht heissen, dass man wieder zum Neandertaler wird. Ganz im Gegenteil. Es muss die nächst höhere Bewußtseinsebene angestrebt werden. Wir haben genug Technik und Wissen, welches nützlich (z.B. regenerative Energie) statt gefährlich (z.B. Pestizide in Nahrungsmitteln) sein kann.
"Der Zweifel ist der Weisheit Anfang."
René Descartes (1596 - 1650),
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